Offener Brief der Jungen Linken Bielefeld an die Grüne Jugend Bielefeld und die Jusos Bielefeld
Liebe Freund*innen der Grünen Jugend Bielefeld und der Jusos Bielefeld,
mit großem Interesse und Respekt haben wir den Rücktritts- und Austrittsbrief des Bundesvorstands der Grünen Jugend gelesen. Der Schritt eures Bundesvorstands ist nicht nur mutig, sondern auch politisch konsequent. Wir nehmen schon seit längerer Zeit die Unzufriedenheit von jungen Grünen mit der Politik der Ampelkoalition wahr. Auch innerhalb der Jusos wächst der Widerstand gegen die aktuelle Regierungspolitik.
Das Festhalten an der Schuldenbremse sorgt dafür, dass dringend benötigten Investitionen in Wirtschaft, Umwelt, Infrastruktur und Bildung verschleppt werden, die Kommunen werden mit den Lasten ihrer Aufgaben im Stich gelassen. Statt einer Investitionsoffensive, wird überall gekürzt, außer bei der Aufrüstung. Das 100 Mrd. Sondervermögen für Aufrüstung und Militarisierung zeigt, in welcher Größenordnung unter anderen politischen Kräfteverhältnissen Finanzmittel mobilisiert werden könnten. Leider weigert sich die Bundesregierung, die angeblichen „Sachzwänge“ zu hinterfragen. Diese Politik ist Wasser auf die Mühlen der Rechten, die Menschen gegeneinander ausspielt. Statt diese Politik wirksam zu bekämpfen, kapituliert die Bundesregierung vor ihr und verschärft die Sanktionen beim Bürgergeld und schleift das Asylrecht.
Absolut zutreffend stellt euer Bundesvorstand daher fest „dass es mittelfristig keine Mehrheiten in der [grünen] Partei für eine klassenorientierte Politik gibt, die soziale Fragen in den Mittelpunkt rückt und Perspektiven für ein grundsätzlich anderes Wirtschaftssystem aufzeigt."
Falls ihr Grünen und Jungsozialisten Bielefeld diese Einschätzung ebenfalls teilen solltet, sehen wir darin große Überschneidungen zwischen unseren Jugendgruppen. Als Junge Linke stehen wir in der Tradition der sozialistischen Arbeiterbewegung. Wir haben den Anspruch, realistisch, radikal und klassenorientiert zugleich zu sein. Letzteres bedeutet die Interessen der lohnabhängigen Mehrheit der Bevölkerung in den Vordergrund unserer Politik zu stellen. Daher legen wir besonderen Wert auf die Aktivität in Gewerkschaften und ihren Organisationen. Wir kritisieren, dass die Bedürfnisse des Menschen im Kapitalismus nur dann von Bedeutung sind, wenn mit ihnen Gewinn erzielt werden kann. Wir kritisieren den Kapitalismus, der noch immer Krisen, Ungleichverteilung, Armut, Not und ökologische Zerstörung produziert. In sozialistischer Tradition engagieren wir uns für eine solidarische Gesellschaft, in der wir Menschen unsere Verhältnisse demokratisch und menschengerecht regeln. Anstelle abstrakter Utopien nehmen wir die Potenziale der heutigen Gesellschaft selbst zum Ausgangspunkt, um die Gesellschaft umfassend zu verändern. Wir flüchten uns nicht in ausschließliches Streben nach einer nichtkapitalistischen Gesellschaft, sondern wir werden uns für ein linkes Reformprojekt einsetzen, das im Hier und Jetzt ansetzt und davon ausgehend über die gegenwärtigen Verhältnisse hinausweist. Im Hier und Jetzt müssen wir als Jugendorganisationen Druck machen, damit es wieder soziale und wirtschaftliche Themen sind, die den Diskurs prägen. Damit es sich die Ampel nicht mehr leisten kann, weiter nach rechts zu kippen. Und damit der Klimaschutz endlich so in Angriff genommen wird, dass breite Teile der Bevölkerung bereit sind diesen mitzutragen. In Bielefeld gilt wie in der ganzen Bundesrepublik, dass es dazu engagierte Menschen braucht, die sich unabhängig von ihrem Parteibuch ehrlich dafür einsetzen.
Auf dieser Grundlage möchten wir euch dazu einladen mit uns ins Gespräch zu kommen, unsere Türen stehen euch offen, ob direkt in unseren Strukturen oder auch bei Überlegungen auf dieser Grundlage eine vereinigte linke Jugendorganisation in Bielefeld zu gründen.
Mit solidarischen Grüßen
Jesper Herking, Leif Kern, Emma Goecke
Vorstand Junge Linke Bielefeld
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