Ostermarsch 2022 in Bielefeld

Mit 1000 Teilnehmer*innen war die diesjährige Ostermarschaktion beachtlich. Es gibt berechtigte Stimmen, die angesichts des grausamen Überfalls des russischen Militärs auf die Ukraine, angetrieben von dem machtbesessenen System Putins, mehr erwartet hätten. Erfreulich, dass die Junge Linke sehr präsent war und viele politische Friedensfreund*innen aus OWL nach Bielefeld gekommen sind. Danke an die Friedensinitiative, auch für die guten (Frauen)Beiträge schon zum Auftakt am Hauptbahnhof. Danke für Onurs klaren Worte, die wir hier veröffentlichen.

Es ist Krieg in Europa, getrieben vom Aufrüstungswahn der Politik und das trotz zunehmender Armut und ausblutender Sozialsysteme! In dieser Situation erlaube ich mir die Frage an etliche von euch, wo ihr am Ostersamstag wart?  DIE LINKE und die Friedensbewegung braucht wieder öffentlich sichtbares Erleben, sie braucht dich! Holt euch das Gefühl von gemeinsamer Stärke und solidarischem Handeln zurück! 

Nicht vergessen, noch haben wir die Wahl: Am 15. Mai sozial- ökologisch und friedenstiftend wählen gehen!

 

 

 

 

 

Redebeitrag von Onur Ocak (DIE LINKE u. Junge Linke Bielefeld) zur Ostermarschaktion in Ostwestfalen-Lippe, gehalten am 16. April 2022, vor dem Rathaus in Bielefeld.
 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Auch wenn der Kriegsbeginn in der Ukraine jetzt schon fast 2 Monate her ist, bin ich immer noch erschüttert und betrübt. Dieser Krieg Russlands ist durch nichts zu rechtfertigen, weder durch Sicherheitsinteressen, noch durch irgendwelche Brüche von Abkommen. Er ist uneingeschränkt und in all seinen Fassetten abzulehnen und zu verurteilen.

Unsere Solidarität gilt den Menschen vor Ort, die schon lange unter dem Kampf um Einflusssphären leiden und nun brutal von den Kampfhandlungen betroffen sind.

Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand und den Abzug aller russischen Truppen aus der Ukraine. Es ist Zeit für Friedensverhandlungen auf höchster Ebene, dafür muss sich auch Russland bewegen.

Wenn aber erstmal die Kanonen, statt die Völker sprechen, ist es schwierig sich zu versöhnen. Es ist immer einfach mit dem Zeigefinger auf

andere zu zeigen. Müssen wir uns als Europäer nicht selbstkritisch fragen, ob wir wirklich alles getan haben, um diesen Krieg zu verhindern?

Ich glaube wir haben nicht alles getan, um diesen Krieg zu verhindern. Im Gegenteil. Die Politik unserer Regierungen der letzten 30 Jahre hat sogar Putin das entsprechende Narrativ geliefert, das er jetzt zur Legitimation seines Krieges nutzt.

 

Die NATO-Osterweiterung war ein Fehler. Die NATO hat mit Zustimmung der Bundesregierung das Versprechen gebrochen, die NATO nicht nach Osten auszuweiten. Diese Politik wurde nicht nur von Russland kritisiert. Sie wurde auch vom ehm. US-Verteidigungsminister McNamara kritisiert. Er meinte, dass die Nato-Ost-Erweiterung Russland dazu treibe, die Friedensordnung von 1991 in Frage zu stellen und zudem die antidemokratischen Kräfte in Russland stärken würde.

Versteht mich nicht falsch, liebe Freundinnen und Freunde. Es ist das gute Recht von souveränen Staaten der NATO beizutreten. Und es ist das gute Recht der NATO neue Staaten aufzunehmen.

Aber es wäre auch das gute Recht der NATO all das nicht zu tun! Man kann so handeln, man muss es aber nicht. Man hat sich aber in Kenntnis der Probleme bezogen auf Russland, bewusst so entschieden.

Gleiches gilt für die einseitige Aufkündigung der ABM Verträge und dem anschließenden Aufbau von US-amerikanischen Anti-Raketen-Systemen in Osteuropa. Keine Großmacht duldet fremdes Militär vor der eigenen Haustür. Das haben auch die USA 1962 in der Kuba-Krise deutlich gemacht.

Auch hier gilt: Selbstverständlich ist es das gute Recht souveräner Staaten  Raktensysteme zu installieren und Verträge zu kündigen. Aber dann muss man sich auch der Konsequenzen im Klaren sein. Natürlich kann man so handeln, man muss es aber nicht!

In all diesen Fällen haben die westlichen Staaten ihre legitime Entscheidungsfreiheit bewusst gegen Russland ausgeübt. Und verstehen Sie mich nicht falsch, dass rechtfertigt diesen Krieg explizit nicht. Aber es macht deutlich, dass eine andere Politik diesen Krieg vielleicht verhindert hätte!

Wer kritisiert, muss aber auch mit Selbstkritik beginnen. Auch wir haben diesen Krieg nicht vorhergesehen und sind zu lange von einer defensiven Außenpolitik Russlands ausgegangen. Selbst dann, als Russland seine Truppen im Süden von Belarus konzentriert hatte und die Entscheidung für diesen Krieg schon längst gefallen war, haben wir einen Einmarsch für unmöglich gehalten. Das war eine fatale Fehleinschätzung. Wir können nicht einfach so zur Tagesordnung zurück. Wir müssen uns fragen, welche analytische Fehler wir begangen haben und was auch wir daraus lernen können.

 

Bei aller Selbstkritik und Fehlereinsicht, werde wir aber bestimmte Dinge nicht akzeptieren!

Nur weil wir eine differenzierte und analytische Sicht auf die Dinge haben, lassen wir uns nicht als „Putinversteher“ brandmarken, uns das Rederecht entziehen oder uns von bürgerlichen auf Friedensdemonstrationen ausgrenzen.

Die Linke ist die einzige Friedenspartei im Bundestag! Wir haben alle Kampfeinsätze der Bundeswehr abgelehnt und alle Kriege und Kriegsverbrechen angeprangert.

Ich lasse mich nicht von denjenigen ausgrenzen, die seit Jahrzehnten völkerrechtswidrige Angriffskriege führen, für sie gestimmt haben und sie bis heute legitimieren!

Ich lasse mich nicht von denjenigen kritisieren, die mit zweierlei Maß messen.

Wer gegen den völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine ist, muss auch den Krieg der NATO in Jugoslawien kritisieren.

Wer gegen den völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine ist, muss auch den Irakkrieg kritisieren.

Wer gegen den völkerrechtswidrigen Krieg in Ukraine ist muss auch den Krieg der Türkei in Nordsyrien kritisieren?

Aber da höre ich nichts!

UND wer Sanktionen gegen Russland fordert, muss auch Sanktionen gegen die USA und Türkei verhängen. Wo sind Sie? Ich sehe keine Sanktionen gegen die Türkei, die den IS und andere islamistische Milizen aufgebaut haben und regelmäßig in Nordsyrien einmarschieren. Statt Sanktionen bekam die Türkei Panzer und Waffen. Statt den Geldhahn wie bei Russland zu zudrehen, bekam Erdogan ein Geldsegen!

Wie können solche Leute es wagen, uns zu kritisieren?! Es geht es denen nie um Völkerrecht. Es geht denen um geostrategische Interessen.

Für die Linke ist egal, wer völkerrechtswidrige Angriffskriege führt. Für uns ist Krieg kein Mittel der Politik!

 

Unter dem Deckmantel der Kriegsangst in Europa erfüllt aktuell unsere Bundesregierung die kühnsten Träume der Militaristen und Waffenindustrie. Aus dem nichts werden 100 Mrd. € plus mehr als 2 % des BIP für die Bundeswehr aufgebracht. Was für ein Wahnsinn, damit hätte Deutschland den drittgrößten Militäretat der Welt. Und das für eine angebliche Verteidigungsarmee. Diese Aufrüstung führt nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu einer Aufrüstungsspirale. Sie sorgt dafür, dass die ganze Welt sich bis auf die Zähne bewaffnet. Eine solche Welt ist nicht sicherer, sondern unsicherer als vorher.

 

Es ist außerdem wirklich erstaunlich, wie schnell und einfach mal 100 Mrd. Euro ausgegeben werden können. Das zeigt: Deutschland hat kein Finanzierungsproblem. Armut, marode Infrastruktur und schleppende Energiewende ist offenbar politisch gewollt und kann auch politisch abgewählt werden! Wir sagen: Her mit dem schönen Leben statt Waffen und Panzer für den Krieg!

 

Nun verhängt die Staatengemeinschaft auch Sanktionen. Die Sanktionen, die sich gegen die russischen Kriegstreiber wenden, unterstützen wir. Aber die Sanktionen, die „Russland ruinieren“ sollen – wie unsere Außenministerin sagte - treffen nicht die Kriegstreiber im Land, sie treffen die normale Bevölkerung. Die bisherige Sanktionsgeschichte zeigt, dass pauschale Sanktionen oft zur Stärkung der autoritären Regime führen, die dadurch das Ausland für die schlechte innenpolitische Lage verantwortlich machen können.

Während der russische Arbeiter, die Zeche bezahlen muss, entziehen sich die russischen Oligarchen durch Kapitalflucht den Sanktionen. Wer es wirklich ernst meint mit Sanktionen, muss zeitgleich die Steueroasen austrocken, in denen das Kapital sein Geld hortet. Das trauen sie sich aber nicht, da es eben nicht auch das eigene Kapital trifft. Und hier zeigt sich erneut die Verlogenheit dieser Bundesregierung!

 

Unter den Kriegen leidet immer die Zivilbevölkerung am meisten.

Jean-Paul Sartre sagte sinngemäß, wenn die Reichen in den Krieg ziehen, sind es die Armen, die dafür bezahlen – und er hat Recht.

Damit skizziert Sartre auch unsere Aufgabe: Wir brauchen Frieden, damit endlich die Kriegstreiber für ihre Verbrechen bezahlen und nicht mehr die Armen und Unterdrückten auf der Erde.

 

Danke.