Energiewende von unten

BI KV Nachrichten (Aktuell)

Interview mit Barbara Rodi, Vorstand der Friedensfördernde Energiegenossenschaft Herford eG.

Bürgerenergiegenossenschaften sind eine der Grundsteine für die Energiewende mit dezentraler, konzernunabhängiger und ökologischer Energieerzeugung. Ein erfolgreiches Beispiel gibt es in unserer Nachbarstadt Herford.

Für einen neuen Photovoltaikpark werden noch Unterstützende / Genoss*innen gesucht.

*2011 wurde die Genossenschaft gegründet,  was sind eure Ziele und wie habt ihr Euch entwickelt?
2011 wurde der Laufzeitverlängerungsbeschluss für die AKWs von der Regierung gefasst. Da war ganz klar, dass wir von dieser Seite wenig zu erwarten hatten. Das Motto "Atomausstieg selber machen", das damals von verschiedenen Umweltverbänden propagiert wurde, sprach uns an. Nach einer OWL- weiten großen Demonstration in Herford organisierten wir eine Veranstaltung zum Thema Ökostrom. Danach war klar, dass wir mehr wollten als nur Ökostrombeziehende zu sein: nämlich die Energiewende vor Ort voranbringen. Im Kreis Herford sind derzeit nur 11% des Stroms im Netz aus erneuerbaren Quellen. Bundesweit sind es durchschnittlich 49%. Da bleibt also viel zu tun. Zu Beginn waren wir eine feste Vorbereitungsgruppe. Unser ursprüngliches Ziel war, Windräder zu bauen. Dies stellte sich aber im Kreis Herford als unmöglich heraus, sodass wir uns auf Photovoltaikanlagen spezialisierten. Auch Wasserkraft wäre in Herford an der Werre möglich gewesen, aber auch das war nicht gewollt.
Unser Ziel ist ganz eindeutig die Abkehr von den fossilen Energien und der Atomkraft und die Reduzierung des Energieverbrauchs. In unserer Präambel zur Satzung steht Folgendes:
"Gemeinsame Ziele sind die rasche Reduktion des CO2-Ausstoßes, die Beschleunigung des Ausstiegs aus der Atomenergie und der Aufbau einer regionalen Energie-Autonomie, auch als friedensfördernde Maßnahme zur Vermeidung von Rohstoff-Kriegen. "
Anfangs hatten wir durch die Katastrophe in Fukushima einen Mitgliederschub, dann wurde es etwas ruhiger bis wir in 2020 die 750 kWpeak große PV-Anlage auf der Deponie Reesberg gebaut haben. Inzwischen gehen wir auf die 400 Mitglieder zu - von den Mitgliedsnummern her sind wir bei 393 angelangt.

*Die Genossenschaft hat ihren Sitz in Herford, können sich auch Bielefelder Bürger*innen einbringen?

Wir haben mehr als 40 Mitglieder aus Bielefeld und es dürfen gerne noch mehr werden. Für unseren großen Bürger*innen-Solarpark, den wir dieses Jahr auf einer ehemaligen Boden- und Bauschuttdeponie bauen werden, brauchen wir auf jeden Fall viele neue Mitglieder, die sich finanziell oder auch mit ihren Kompetenzen einbringen. Ein Anteil an der FEGH eG kostet 250 €. Als Mitglied besteht dann auch die Möglichkeit, über ein Darlehen in den Bürger*innen-Solarpark zu investieren. Wir möchten das benötigte Geld möglichst ohne Banken zusammenbringen. Die Anlage wird so viel Strom produzieren, dass damit 750 Haushalte versorgt werden können. Auf 2,8 ha werden über 6000 Module aufgeständert. Auf dem Gelände sollen Schafen weiden. Die Artenvielfalt auf der Fläche wird sich erhöhen. Durch eine Kooperation mit den Bürgerwerken, unserer Dachgenossenschaft, können wir den Strom auch als Regionalstrom direkt hier verbrauchen.

Die Bielefelder Bewegung hatte 2012 übrigens auch überlegt, eine Energiegenossenschaft zu gründen. Da das EEG 2012 damals nur schlechte Aussichten bot, wurde diese Idee leider ad acta gelegt. Wir sind aber im Kontakt mit den Parents for Future und anderen, die gerne etwas auf die Beine stellen möchten. Gerne teilen wir unsere Erfahrung und unser Wissen, das wir während der 12 Jahre bekommen haben.

Mehr Infos zum aktuellen Projekt: https://www.fegh.de/projekte/

*Der Zusatz „Friedensfördernde“ Energiegenossenschaft hat doch bestimmt viele Fragen aufgeworfen?
Seit dem Ukraine-Krieg brauchen wir unseren Namen nicht mehr erklären - damals, vor 12 Jahren, war für die meisten Personen wenig ersichtlich, dass die Nutzung Erneuerbare Energien und das Bemühen um Frieden sehr viel miteinander zu tun haben. Ich erwähne auch immer gerne, dass die CDU-orientierten Menschen sich aufgrund des Wörtchens "Frieden" schwer dazu entscheiden konnten, bei uns Mitglied zu werden, und die linksorientierten meinten, wir seien zu sehr Rendite-orientiert. Eine Genossenschaft hat immer zum Ziel, ihre Mitglieder zu fördern. Das bedeutet zwar auch, wirtschaftlich zu arbeiten, damit sie keine finanziellen Nachteile haben, aber für die meisten unserer Mitglieder steht die Rendite nicht im Vordergrund, sondern das Bemühen, für unsere junge Generation ein angenehmes Leben auf der Erde ermöglichen zu wollen.

*Welche Projekte habt ihr vor Ort umgesetzt, wo liegen die Schwierigkeiten?
Zuerst haben wir auf privaten Dächern Photovoltaikanlagen installiert, dann auf einem öffentlichen Carport am Bahnhof in Bieren, auf dem Neubau einer Wohnungsgenossenschaft, auf dem Scheunendach eines Reiter*innenhofs, einem Hallendach des landwirtschaftlichen Betriebs Ulenburger Landbau u, auf Kindergärten, einem Berufskolleg, einer Sporthalle und schließlich auf dem stillgelegten Teil einer Deponie. Aktuell ganz neu in Betrieb gegangen sind drei PV- Anlagen für das Deutsche Rote Kreuz, Kreisverband Herford Stadt e.V., eine auf einem Dach der Geschäftsstelle, eine auf einem Kindergarten und eine auf dem Anbau eines Generationen-Wohnprojektes. Die Schwierigkeiten lagen in den sehr volatilen Vorgängen sowohl bei der Gesetzgebung als auch auf dem Modul- Markt. Wir haben zum Beispiel bei unseren ersten Anlagen noch die Möglichkeit gehabt, den auf dem Dach erzeugten Strom direkt an die Dachbesitzenden vor Ort zu verkaufen. Dies war nach dem EEG 2012 nicht mehr möglich, sodass wir die PV- Anlagen vermietet haben und die Dachbesitzenden den Strom sowohl selbst verwenden als auch in das Verteilnetz einspeisen konnten. Die Europäische Richtlinie zu den Erneuerbaren Energien vom November 2019 sah vor, dass das "Energy Sharing" leicht gemacht werden soll: wenn das Nachbargebäude zum Beispiel nicht geeignet ist für eine PV- Anlage, sollte der Strom aus einer benachbarten PV- Anlage direkt an den/die Nachbar/in geliefert werden können. Die Bundesregierung hatte bis Juni 2021 Zeit, diese Anforderung in ein Gesetz zu bringen, hat dies aber nicht getan. Die Bürger*innenenergiebewegung ist dabei, dies nun einzuklagen. Vorerst ist die Degression der Einspeisevergütung ausgesetzt. Dies war bei dem Bau unserer großen PV- Anlage auf der Deponie ein großes Problem und ein Wettlauf mit der Zeit: wir haben zweieinhalb Jahre für die Realisierung der Anlage gebraucht. Als sie in Betrieg gegangen ist, war die Einspeisevergütung um 17 % gesunken. Für die Wirtschaftlichkeit der Anlage ein harter Brocken. Nur dass die Module günstiger geworden sind, hat das Projekt gerettet. Durch die Corona-Pandemie gab es Lieferschwierigkeiten und dadurch erneute Zeitverzögerung. Auf dem Markt der Erneuerbaren Energien sind gute Nerven gefragt. Immer wieder gibt es neue Gesetze und Preisschwankungen. Das neue Erneuerbare Energien Gesetz, das seit Januar 2023 gilt, hat einige Besserungen gebracht, die aber noch lange nicht ausreichen um die Kipppunkte beim Klimawandel zu vermeiden.
 
 *Das Interview mit Barbara Rodin führte Carsten Strauch Arbeitskreis Umwelt DIE LINKE Bielefeld.